Straubing

50 Jahre KJF Werkstätten

Ein halbes Jahrhundert für Teilhabe an Bildung und Arbeit

2024 ist ein besonderes Jahr für die KJF Werkstätten: Der älteste Standort feiert 50jähriges Bestehen. Im Oktober 1974 gingen die Straubinger Werkstätten St. Josef in einer ehemaligen Schuhfabrik in der Alten Wörther Straße an den Start. Es begann mit einer Gruppe von elf Mitarbeitern mit Behinderung und drei Mitarbeitern Personal. Das war die Keimzelle für die heutige KJF Werkstätten gemeinnützige GmbH mit nunmehr acht Standorten und rund 1.600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

Der Festakt begann mit einem Wortgottesdienst, den der Vorsitzende der Katholischen Jugendfürsorge Regensburg, Domkapitular Michael Dreßel, zelebrierte: „In unserem Grundgesetz steht, die Würde des Menschen ist unantastbar. Als Christen stehen wir zu 100 Prozent hinter diesem Satz, denn Gott hat den Menschen nach seinem Ebenbild erschaffen. Aus dieser Würde entstehen Rechte – auch das Recht auf Arbeit und das setzen die KJF Werkstätten seit 50 Jahren hier um. Ich danke allen, die dabei mithelfen und einen unermesslich wichtigen Beitrag für Inklusion und Teilhabe leisten.“

 

Werkstätten sind ein unverzichtbarer Baustein für Inklusion

Werkstatträtin Erika Stelzl und ihr Kollege Michael Händel führten die rund 100 geladenen Gäste und Netzwerkpartner aus Kirche, Politik, Wirtschaft und Fachwelt, die zur Jubiläumsfeier gekommen waren, durch die Veranstaltung. Über den Festredner MdL Thomas Huber, stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses für Arbeit und Soziales, Jugend und Familie im Bayerischen Landtag, freuten sich die Geschäftsführerinnen Evi Feldmeier und Melanie Eibl besonders. Der Landtagsabgeordnete würdigte die Leistungen, die die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der KJF Werkstätten in einem halben Jahrhundert vollbracht haben: „Die Werkstätten stehen für mehr als berufliche Eingliederung, hier wird eine Kultur der Menschlichkeit gelebt, das macht die Einrichtungen zu echten Herzwerkerstätten. Vor 50 Jahren war der Inklusionsgedankt noch nicht überall verankert, die Erfolgsgeschichte der KJF Werkstätten zeigt, was möglich ist, wenn die Gesellschaft bereit ist, neue Wege zu gehen.“

MdL Huber betonte, wie sehr ihm die Werkstätten als sozialpolitischer Sprecher seiner Fraktion am Herzen liegen: „Der allgemeine Arbeitsmarkt ist nicht für jeden Menschen geeignet, deshalb sind die 158 Werkstätten in Bayern ein unverzichtbarer Baustein für Inklusion, den wir unbedingt erhalten müssen.“ So sieht MdL Huber die aktuelle politische Entwicklung, wodurch Ausgleichszahlungen von Unternehmen, die zu wenige Menschen mit Behinderung beschäftigen, nicht mehr für Investitionen in den Werkstätten verwendet werden können, kritisch. „Bayern hat gegen diesen Beschluss gestimmt“, betonte er.

 

Teilhabe und Heranführung an produktive Arbeit

In einem Blitzlicht-ABC stellte Ingrid Schultes, die Leiterin der Straubinger Werkstätten St. Josef, mit Erika Stelzl und Michael Händel die Einrichtung näher vor: Menschen mit kognitiven, psychischen, körperlichen Beeinträchtigungen oder Sinnesbehinderungen finden in den Werkstätten und auf ausgelagerten Arbeitsplätzen berufliche Bildung, individuelle berufliche Rehabilitation und passgenaue Teilhabe am Arbeitsleben. Für Menschen mit erhöhtem Unterstützungsbedarf gewährleisten die Förderstätten der Werkstätten in Straubing, Eggenfelden, Offenstetten und Mitterteich Teilhabe an der Gemeinschaft und die Heranführung an produktive Arbeit. Im Rahmen eines gezielten Übergangsmanagements werden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Werkstätten gezielt motiviert, qualifiziert und auf dem Weg zu einem Arbeitsplatz auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt begleitet. InJOB, der Fachdienst zur beruflichen Teilhabe für Menschen mit Behinderung, berät sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber zu allen Möglichkeiten. Gemeinsam mit dem Inklusionsbetrieb SIGMA gemeinnützige GmbH ist ein professionelles Kompetenzzentrum für berufliche Bildung, Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderung im Raum Ostbayern entstanden. „Wer keinen inklusiven Arbeitsmarkt will, wird Gründe finden. Wer einen inklusiven Arbeitsmarkt will, wird Wege finden“, so das Fazit von Ingrid Schultes.


Ein „Vergelt’s Gott“ der beiden Geschäftsführerinnen Melanie Eibl und Evi Feldmeier

Die beiden Geschäftsführerinnen der KJF Werkstätten Melanie Eibl und Evi Feldmeier bedankten sich im Rahmen des Festakts bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die sich mit viel Herzblut und Kompetenz für die Teilhabe von Menschen mit Behinderung einbringen. Dass die Leistungen der KJF Werkstätten über die fünf Jahrzehnte vielfältig und qualitativ hochwertig auf- und ausgebaut werden konnten, dazu habe die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Vertreterinnen und Vertretern der Bezirke Niederbayern und Oberpfalz, der Agenturen für Arbeit Deggendorf, Rottal-Inn, Regensburg, Weiden, dem Rentenversicherungsträger, den Berufsgenossenschaften und den Inklusionsämtern Niederbayern und Oberpfalz beigetragen. Mit ihren Aufträgen leisten auch die Kunden einen wertvollen Beitrag zur beruflichen Inklusion von Menschen mit Behinderung.

„Viele konnten sich in den 70er Jahren noch nicht vorstellen, dass Menschen mit Behinderungen wertvolle Arbeitskräfte sind, dass sie mit höchster Präzision Verpackungen für die Industrie leisten, zuverlässig Wäschereien betreiben oder als erste fehlerfrei Dokumente digitalisierten“, so KJF-Direktor Michael Eibl. „Mit unseren KJF Werkstätten blicken wir auf 50 Jahre bemerkenswerte Erfolgsgeschichte zurück. Und wenn ich von Erfolg spreche, dann bemesse ich dies an den vielen Menschen, denen wir ein erfülltes Arbeitsleben ermöglichen.“

 

Zusammenarbeit mit der BMW Group: 2026 steht das Jubiläum an

Michael Eibl moderierte eine Gesprächsrunde mit hochrangigen Gästen: Elisabeth Kienel, die Vorsitzende der Landesarbeitsgemeinschaft der Werkstatträte forderte eine faire Bezahlung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Werkstätten: „Die Politik muss daran arbeiten und dieses Thema voranbringen. Genauso müssen die Unternehmen noch mehr darüber aufgeklärt werden, was die Menschen in den Werkstätten leisten.“ Mario Schreder, Leiter der Dienstleistersteuerung, repräsentierte die BMW Group, einen wichtigen Kunden und Partner der KJF Werkstätten. Obwohl das Unternehmen seine Quote bei der Beschäftigung von Menschen mit Behinderung erfüllt, vergibt es zahlreiche Aufträge an Werkstätten, seit 1986 unter anderem die Ersatzteilverpackung. „Wir arbeiten mit sieben Werkstätten zusammen und sind damit sehr zufrieden. Das ist für uns extrem wichtig und hilft uns bei der weltweiten Versorgung mit Ersatzteilen. Die Zusammenarbeit ist immer geprägt von Vertrauen und Wertschätzung – 2026 steht dafür das Jubiläum an, darauf freue ich mich“, so Schreder.

Ein wichtiger Partner der Werkstätten sind auch die Bezirke: Bezirksrat Peter Dreier lobte die Anstrengungen bei der Begleitung von Menschen mit Behinderung auf den allgemeinen Arbeitsmarkt: „Mit BÜWA funktioniert das bereits sehr gut. Diese Maßnahme hilft vielen Menschen, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Das Budget für Arbeit kann man noch verbessern, vielleicht müssen wir den Bekanntheitsgrad weiter steigern.“ Oberbürgermeister Markus Pannermayr berichtete, dass Straubing in Kooperation mit den Werkstätten zwei Außenarbeitsplätze in Kindertagesstätten geschaffen hat: „Die Entscheidung für dieses Projekt ist im Stadtrat einstimmig gefallen und die Erfahrungen sind ausnahmslos positiv. Es ist sehr beeindruckend, was die beiden Mitarbeiterinnen leisten und ihre Kolleginnen sind sehr dankbar für die Unterstützung.“

 

„Wir brauchen die Werkstätten“

Auch Straubing-Bogens Landrat Franz Laumer bekräftigte seine Unterstützung für die Werkstätten: „Bei der Vergabe von Aufträgen prüfen wir immer, ob eine Werkstätte dafür in Frage kommt – unter anderem unsere Geschenke lassen wir in einer Werkstätte produzieren. Wir haben einen Ausbildungspreis für Inklusion geschaffen, um Engagement in diesem Bereich zu würdigen und für die Gesellschaft sichtbar zu machen.“ MdB Alois Rainer kritisierte die bundespolitisch angedachte Abschaffung der Anrechenbarkeit von Aufträgen an Werkstätten bei der Ausgleichsabgabe: „Ich hoffe, dass es nicht so kommt. Der Ansatz meiner Fraktion ist ein anderer, denn wir brauchen die Werkstätten: Sie bieten den Menschen Chancen – auch beim Übergang auf den allgemeinen Arbeitsmarkt. Das müssen wir erhalten.“

Ähnlich äußerte sich MdL Thomas Huber: „Diese Übergänge sind wichtig, darauf legen wir großen Wert. Wir haben Mittel im Haushalt eingeplant, damit nicht Strukturen kaputt gemacht werden, die sich über Jahrzehnte bewährt haben.“ Evi Feldmeier setzte den Schlusspunkt der Diskussionsrunde. Sie ging auf die Situation von Menschen mit erhöhtem Förderbedarf ein: „Diese Menschen sind oftmals von qualifizierten Tätigkeiten ausgeschlossen. In unseren Förderstätten finden sie passgenaue Unterstützung und Förderung, denn unsere Erfahrung ist, dass jeder Mensch einen Beitrag zur Wertschöpfung leistet.“

 

Pure Lebensfreude bei der inklusiven Modeschau

Beim anschließenden Tag der offenen Tür nutzten hunderte Besucher die Gelegenheit, hinter die Kulissen der Straubinger Werkstätten zu blicken und die verschiedenen Abteilungen zu besichtigen. Sie ließen sich an den Foodtrucks Burger, Chicken Wings und Crepes schmecken oder gaben ihr Bestes beim Gummistiefelweitwurf. Auch der Regensburger Landwein, der von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Inklusionsbetriebs SIGMA an den Weinbergen der KJF geerntet wird, fand großen Anklang. Das Duo Sticks und Biggi sorgte mit Rock-Klassikern für Stimmung. Die Landfrauen Bogenberg-Bogen-Oberalteich brachten sich beim Tag der offenen Tür mit dem Verkauf von selbstgemachten Kuchen ein. „In den Werkstätten wird Inklusion gelebt, das unterstützen wir gerne. Mit der Geschäftsführerin Evi Feldmeier verbindet uns eine jahrelange Freundschaft“, so die Rosemarie Franz und Sabine Leiderer, die Vorsitzende der Landfrauen.

 

Höhepunkt des Tages war eine inklusive Modenschau: Gemeinsam präsentierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Huber Mode und Tracht und den Werkstätten aktuelle Modetrends aus der Herbstkollektion. „Für uns ist es immer ein Erlebnis, mit diesen tollen Menschen eine Modenschau zu organisieren. Sie strahlen pure Lebensfreude aus und das schwappt über aufs Publikum – einfach großartig“, so Andrea Dendorfer, Inhaberin von Huber Mode und Tracht.

 

Text: Sebastian Schmid

 

Das Straubinger Tagblatt hat in mehreren Ausgaben darüber berichtet (veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung der Redaktion):