Mitterfels

Eine erworbene Hirnschädigung und was dann?

Berufliche Bildung und Teilhabe am Arbeitsleben, ist das noch möglich?

Die Bruder Konrad Werkstätte der KJF Werkstätten gemeinnützige GmbH gibt Menschen mit erworbener Hirnschädigung eine echte Chance zur Teilhabe am Arbeitsleben. Einrichtungsleiter Manfred Schmidt wünscht sich für die Zukunft noch mehr Anerkennung und wohnortnahe Angebote, die individuell auf die Bedürfnisse der Betroffenen zugeschnitten sind. Nur so kann Integration am Arbeitsplatz und in der Gesellschaft langfristig gelingen.

Eine Werkstatt für Menschen mit Behinderung ist definiert als eine Einrichtung zur Teilhabe am Arbeitsleben und zur Eingliederung in das Arbeitsleben. Sie bietet Menschen, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht, noch nicht oder noch nicht wieder auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können, eine angemessene berufliche Bildung und eine Beschäftigung.

Da viele Menschen mit einem erworbenen Hirnschaden sich nicht als behindert erleben, schrecken sie davor zurück, in der klassischen Werkstatt zu arbeiten. Sie brauchen eine Umgebung, die ihren Belangen und Bedürfnissen gerecht wird. Die Betroffenen definieren sich häufig über eine Krankheit und weniger über eine Behinderung. Sie wissen um ihr altes Leben und haben oft nur eingeschränkte Behinderungseinsicht, die voraussichtlich irreversibel ist. Auf diese Erfordernisse flexibel reagieren zu können, das ist die Stärke der Bruder Konrad Werkstätte.


Wer sind die Betroffenen?

Jährlich erkranken ca. 500 000 Menschen an einer erworbenen Hirnschädigung. Davon erleiden rund 270.000 Menschen in Deutschland einen Schlaganfall oder ein Schädel-Hirn-Trauma. Rund 70.000 der Betroffenen benötigen anschließend dauerhafte Unterstützung und entsprechende Nachsorge und Rehabilitation.

Fachlich spezialisiert, an den Bedürfnissen orientiert

Die Bruder Konrad Werkstätte hat sich fachlich spezialisiert, damit dort Menschen mit einer erworbenen Hirnschädigung arbeiten können. Das spezielle Werkstattkonzept mit entsprechend geschultem Personal kann diesen Menschen gerecht werden. Hier kommen Menschen mit ähnlichem Schicksal zusammen, zudem stehen sie oftmals das erste Mal nach dem einschneidenden Unfall bzw. nach der Krankheit wieder im Arbeitskontext, und haben wieder Aufgaben und Ziele. Nutzen können dieses Angebot erwachsene Menschen vom 18. Lebensjahr bis zum Eintritt in die Altersrente, die aufgrund erworbener Schädigungen sehr eingeschränkt sind, dass Beeinträchtigungen der Teilhabe am Arbeitsleben für einen längeren Zeitraum vorhanden bzw. zu erwarten sind. 

Arbeitsstruktur und Lebensrhythmus finden

Für viele Menschen mit erworbener Hirnschädigung ist es anfangs nicht einfach, die Werkstätte als neuen Arbeitsplatz zu akzeptieren. Ein Mosaiksteinchen von vielen, in einem Leben mit kognitiven, körperlichen und psychischen Einschränkungen, in dem die soziale Interaktion, der familiären Kontext – die gesamten Lebensverhältnisse – neu gestaltet werden müssen. Das erfordert von den Betroffenen viel Lebensenergie und Mut.

Am Anfang wird der Tag strukturiert: Arbeit, Bildung und Therapien stehen auf dem Plan. Die Therapien, zum Beispiel Physiotherapie, Logopädie oder Ergotherapie, werden vom Arzt verordnet und durch externe Therapeuten in der Bruder Konrad Werkstätte durchgeführt. Häufig müssen Betroffene lernen, ihre Leistungsfähigkeit neu und richtig einzuschätzen, denn bei einer Hirnschädigung sind die Möglichkeiten der Informationsverarbeitung betroffen. So nimmt sich ein Verletzter selbst und in Bezug auf andere, in dem was er leisten kann, ganz anders war. Ein externer Neuropsychologe betreut die Werkstattbeschäftigten und erarbeitet mit ihnen Kompensationsstrategien, damit sie der beruflichen Bildung und einer Arbeit nachgehen können. Er ist Ansprechpartner für die Gruppenleitung und gibt in Fallbesprechungen gezielt Hilfestellung zur Eingliederung, unterstützt spezielle Förderangebote des kognitiven Trainings und vermittelt Hintergrundwissen über die Auswirkungen von Schädel-Hirn-Verletzungen, und wie man Betroffene fördern und unterstützen kann. Mit im Fokus stehen dabei auch Angehörige bzw. direkte Bezugspersonen. Der Neuropsychologe unterstützt sie gemeinsam, die schwierigen Veränderungen zu bewältigen.

Gelingt das „Wieder ankommen“ in der Arbeitswelt, profitieren diese Menschen in der Regel in ihrer Selbstwahrnehmung. Sie erleben sich als leistungsfähig und mit ihrer Arbeitsleistung wertgeschätzt.

Wertschätzung und Weiterentwicklung erleben

Einrichtungsleiter Manfred Schmidt hat das Fachkonzept für Menschen mit erworbener Hirnschädigung permanent weiterentwickelt: „In den meisten Fällen gestalten wir ganz individuelle Arbeitsplätze“, erklärt er. Es ist sein Ziel, die Menschen mit Behinderung so zu fördern, dass sie in Zukunft einen Außenarbeitsplatz, einen Arbeitsplatz in einer Inklusionsfirma oder eventuell einen Arbeitsplatz auf dem freien Arbeitsmarkt ausüben können.

Schmidt ist Mitglied des Sprecherteams Werkstätten für Menschen mit erworbener Hirnschädigung Regionalgruppe Bayern. Er formuliert klare Forderungen, um die erfolgreiche Rehabilitation und Inklusion weiter zu gestalten. Wichtig sei es, dass differenziertere Bildungs- und Arbeitsangebote innerhalb und außerhalb der Werkstätten entstehen und die Konzepte individueller auf die einzelnen Betroffenen zugeschnitten werden. Außerdem müssten die besonderen Bedürfnisse der Betroffenen in der beruflichen Rehabilitation noch stärker in den Fokus gerückt werden und mehr flächendeckende und wohnortnahe Angebote entstehen. Aktuell finden Menschen mit erworbener Hirnschädigung kaum adäquate Wohnangebote. Es gibt nur wenige spezielle Wohngruppen, Wohnheime oder ambulante betreute Wohnangebote für sie. Insgesamt müssten die Bedürfnisse von Menschen mit erworbener Hirnschädigung noch bekannter gemacht werden, denn nur so könne eine langfristige Integration am Arbeitsplatz, im Wohnumfeld, in der Familie und in unserer Gesellschaft gelingen.

Text und Bild: Manfred Schmidt