Straubing

SIGMA und inJOB stellen Weichen

Viele besondere Menschen arbeiten bei SIGMA, dem Inklusionsbetrieb im Osten der Stadt. Besonders ist der Betrieb auch selbst. Denn dort arbeiten Menschen ohne und Menschen mit Behinderung aller Art zusammen.

Im Oktober 2019 hat SIGMA in Kooperation mit dem Fachdienst inJOB der KJF Werkstätten gGmbH eine Arbeitsgruppe aufgebaut, in der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt sind, die zuvor von Langzeitarbeitslosigkeit betroffen waren. In einem ca. 100 qm großen Arbeitsraum hat die Arbeitsgruppe mit 9 Mitgliedern und zwei Praktikantinnen beste Rahmenbedingungen für vielfältige Arbeiten. Aktuell blitzen zufriedene Augen über OPMasken hervor. Die Arbeit läuft weiter und macht Freude, auch wenn wegen der Hygiene- und Schutzmaßnahmen manches anders läuft als gewohnt. Tina Heß ist Kopf und Herz der Arbeitsgruppe. Sie akquiriert Arbeitsaufträge, schaut, wer was am besten kann, koordiniert die Arbeit und hilft, wo sie gebraucht wird. Für ihre Leute klärt sie auch schon mal die eine oder
andere private Frage mit Behörden.

Sebastian S.* etwa 60 Jahre alt, hat seit einem Autounfall vor 40 Jahren beruflich nie wieder
richtig Fuß fassen können. Wie viele Maßnahmen, Kurse und Ein-Euro-Jobs er hinter sich hat,
lässt sich gar nicht aufzählen. Jetzt arbeitet er 20 Stunden in der Woche bei SIGMA und erhöht
bald auf 30 Stunden. Endlich lebt er unabhängig vom Jobcenter. Sein Leben finanziert er wieder
selbst. Die entscheidende Weichenstellung dafür leisteten SIGMA und der Fachdienst inJOB
der Straubinger Werkstätten St. Josef. Sebastian S. und auch seine Kollegin Maria D.* hatten
Glück. Katrin Nebl vom Jobcenter Straubing-Bogen hat sie vermittelt und coached sie auch im
Job. Über das Teilhabechancengesetz erhalten Menschen, die seit vielen Jahren arbeitslos sind,
seit 2019 eine Chance, wieder ins Berufsleben einzusteigen. Arbeitgeber jeder Branche erhalten
im Gegenzug Lohnkostenzuschüsse.

Und wie sieht die Arbeit von Sebastian S. aus?
Sebastian S.: „Ich verpacke Teile von Autos und Motorrädern wie Seitenspiegel oder
Kupplungszüge. Die Teile kommen in großen Verpackungen mit zum Beispiel 200 Stück. Ich
wickle die Teile dann einzeln in Schaumstoff, dann packe ich das in eine Tüte, die Tüte in eine
Schachtel, Etikett drauf und dann die Schachtel in eine Gitterbox. Die Gitterbox wird ins Lager
gefahren und am nächsten Tag vom Lkw geholt.“

Was unterscheidet SIGMA von einem anderen Arbeitgeber?
Sebastian S.: „Ich hab‘ ja insgesamt nur 6 Jahre gearbeitet und hab‘ hunderte von
Bewerbungen geschrieben, … irgendwann nicht einmal mehr eine Absage bekommen. Die
Kollegen hier sind nett und Frau Heß nimmt sich Zeit zum Erklären und hilft uns, wenn´s nötig
ist. Wir sind ein eingespieltes Team.“

Fünf waren von Anfang an dabei. Eine von den Neuen ist Maria D.* Sie hat eine Ausbildung als
Modenäherin. Zwei Jahre hat sie in dem Beruf gearbeitet. Dann kamen Arbeitslosigkeit,
Familienpause, geringfügige Beschäftigungen. So ist und bleibt man mehr oder weniger arm.
In der Rente wartet die Grundsicherung. Aber seit 1. Februar arbeitet die Kollegin
sozialversicherungspflichtig in Teilzeit und wird von der Empfängerin zur Einzahlerin.

War der Sprung in die neue Arbeit schwierig?
Maria D.: „Corona macht es gerade schwierig, weil die Schule geschlossen ist und der Hort
eher zumacht. Ich bin alleinerziehend und wir sprechen die Arbeitszeit so ab, dass es
funktioniert. Schwierig war´s nicht und jetzt ist es wegen Corona gut, wenn man nicht den
ganzen Tag zu Hause sitzt und grübelt.“

Wie sieht Bettina Nebl vom Jobcenter Straubing-Bogen die Zusammenarbeit mit SIGMA?
Bettina Nebl: „Unsere Zusammenarbeit ist sehr kooperativ, erfolgreich und vor allem
unkompliziert. Die örtliche Nähe spielt dabei eine wichtige Rolle. Man kann je nach Bedarf mal
schnell zu Fuß in den Betrieb gehen und Anliegen persönlich besprechen. Bei Betriebsbesuchen
habe ich mir vorab ein Bild von den einzelnen Abteilungen und den jeweiligen Berufsfeldern
gemacht, die jeweiligen Anforderungen des Arbeitsplatzes kennengelernt und so
entsprechende Arbeitnehmer gesucht. Seit 2019 haben wir bis dato 11 Personen bei der SIGMA
integriert, wobei bisher lediglich zwei Beschäftigungsabbrüche zu verzeichnen waren. Alle
anderen sind dort weiterhin beschäftigt. Zum jetzigen Zeitpunkt befinden sich drei Personen
in einer betrieblichen Erprobung mit Option auf Übernahme in eine geförderte Beschäftigung.“

Welche Erfahrungen haben die Beteiligten gemacht?
Bettina Nebl: „Als berufsbegleitender Coach des Jobcenters Straubing unterstütze ich die über
das THCG (Teilhabechancengesetz)-Beschäftigten bei allen beruflichen und privaten Fragen
und erarbeitete gemeinsam mit ihnen eine langfristige Berufsperspektive. Vor allem zu Beginn
jeder Beschäftigung ist es den Arbeitnehmern wichtig, einen festen Ansprechpartner von Seiten
des Jobcenters zu haben, da damit viele Änderungen für sie verbunden sind. Es braucht eben
etwas Zeit, um sich an den neuen Arbeitsalltag nach Jahren der Arbeitslosigkeit zu gewöhnen.
Statt sich morgens nochmal umzudrehen, starten sie nun täglich ihren Arbeitsweg zur SIGMA
und haben das Gefühl, wieder dazuzugehören. Das benötigt Zeit und auch die Geduld des
Arbeitgebers, sich auf die neuen Beschäftigten einzulassen. Das Coaching ist dabei ein
wesentlicher Erfolgsfaktor für die Beschäftigten. Jeder soll die Chance erhalten, einer Arbeit
nachzugehen, für sich selbst sorgen zu können und wieder am sozialen Leben teilzuhaben.

SIGMA ist ein Paradebeispiel dafür, dass es gelingen kann, durch eine enge und vertrauensvolle
Unterstützung und Begleitung Menschen aus einem verfestigten Langzeitleistungsbezug
heraus eine dauerhafte Integrationsperspektive zu eröffnen. Vor allem die regelmäßigen
Gespräche mit den Arbeitnehmern und dem Arbeitgeber über die bisherige Entwicklung jedes
Einzelnen sind sehr wichtig. Das Feedback der Mitarbeiter war bisher immer positiv.“

Das Fazit der Erfahrungen von SIGMA und dem Fachdienst inJOB: Die Kunst ist es, einen
Rahmen zu schaffen, den der einzelne Mensch ausfüllen kann. Hierbei ist es wichtig, die
Bedürfnisse des einzelnen Menschen im Blick zu haben, den Arbeitseinsatz soweit wie möglich
an der Eignung und Neigung des Mitarbeiters zu orientieren, bestehende Defizite in den
Arbeitskompetenzen durch gezielte Maßnahmen zu fördern und bei Bedarf auch
sozialpädagogische Beratung anzubieten.

Text: Heidi Unger
Bild: Fabian Lieb

Das Interview erschien gekürzt im Straubinger Tagblatt in der Beilage „Besser in Straubing“.