Teilhabe am Arbeitsleben im „Corona-Modus“

Die Geschäftsführerin der KJF Werkstätten Evi Feldmeier und Erika Stelzl, Vorsitzende des Werkstattrats Mitterfels, erklären, warum die Wiederaufnahme der Arbeit für alle so wichtig war und wie sehr man sich gegenseitig braucht – nicht nur in Corona-Zeiten.

Es war der 15.12.2020, und damit für viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kurz vor dem Weihnachtsurlaub, als mit Allgemeinverfügung vom 15.12.2020 ganz kurzfristig ein erneutes Betretungsverbot für die Werk- und Förderstätten in Bayern erlassen wurde. Das stieß nicht nur bei einer Vielzahl der in den KJF Werkstätten gemeinnützige GmbH beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Behinderung und deren Angehörigen und gesetzlichen Vertretern auf Unverständnis, sondern auch bei Verbänden und Interessensvertretungen wie z. B. der Landesarbeitsgemeinschaft der Werkstatträte in Bayern. Sie sprachen sich im Sinne von Inklusion, Selbstbestimmung und Teilhabe für Menschen mit Behinderung sehr eindringlich für die Wiederöffnung der Werk- und Förderstätten aus und hatten Erfolg: Seit 11. Januar 2021 darf in den Werkstätten für Menschen mit Behinderung wieder „eine Beschäftigung und Betreuung von Menschen mit Behinderung unter Berücksichtigung Corona spezifischer Anforderungen stattfinden“, so steht es in der aktuell gültigen Allgemeinverfügung vom 07.01.2021.


Ein kurzer Rückblick

Am 18. März 2020 gab es mit der ersten Allgemeinverfügung für Werkstätten und Förderstätten in Bayern im Zuge des Lockdowns das erste Betretungsverbot für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Behinderung. Für viele von ihnen bedeutete das nicht nur den Gang in die Isolation, sondern auch einen Stillstand für behinderungsbedingt erforderliche Therapien und Fördermaßnahmen. Hinzu kam für viele große Angst: zum einen vor dem unbekannten Virus, zum anderen um das monatliche Arbeitsentgelt und damit zum Teil auch um die Existenz. Der Weg zurück an den Arbeitsplatz in den Werk- und Förderstätten ging im Zuge der Lockerungsmaßnahmen in ganz kleinen Schritten. Die ständig sehr kurzfristig getroffenen Vorgaben der angepassten Allgemeinverfügungen stellte die Organisation in den Werk- und Förderstätten, aber auch die betroffenen Menschen mit Behinderung vor enorme Herausforderungen. Inklusion im Bereich der Teilhabe am Arbeitsleben? Mitbestimmung im Sinne des Bundesteilhabegesetzes? Davon war in dieser Zeit nicht wirklich etwas spürbar.
 

Große Freude über Wiedereröffnung

In den Werk- und Förderstätten wurden umfassende Hygiene- und Schutzkonzepte erstellt, die ständig an die wechselnden Vorgaben angepasst wurden. Die Beschäftigung und Betreuung unter Corona-spezifischen Anforderungen ist alles andere als normaler Werkstättenalltag. Aber die gewohnte Tagesstruktur, die Teilhabe am Arbeitsleben und die Sicherstellung einer Assistenz und Begleitung durch diese Corona-Pandemie ist für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Behinderung absolut wichtig. „Eigentlich haben wir gar nicht wirklich damit gerechnet, dass die Werk- und Förderstätten ab 11.01.2021 wieder öffnen dürfen. Aber umso mehr haben wir uns darüber gefreut“, erzählt Evi Feldmeier. Das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes, die Abstands- und Hygieneregeln, die regelmäßige Reinigung und Desinfektion, die häufigen und immer wiederkehrenden Unterweisungen, die Arbeit in festen Arbeitsgruppen und der Schichtbetrieb in Pausen: Das alles gehört mittlerweile zum Standard in den KJF Werkstätten. „Wir passen gut aufeinander auf“ heißt das gemeinsame Motto und alle wissen, dass das nur gelingt, wenn die Regeln eingehalten werden.
 

Ein Stück Normalität zurück

Erika Stelzl ist Vorsitzende des Werkstattrates der Bruder Konrad Werkstätte in Mitterfels. Auch sie ist sehr froh darüber, dass das Betretungsverbot für die Werkstätten und Förderstätten so schnell wieder aufgehoben wurde. Ihre Arbeit in der Werkstätte bezeichnet sie als persönlichen Glücksfall. Seit einem Unfall lebt sie mit einer körperlichen Beeinträchtigung. In der Werkstattumgebung lernte sie das Sprechen wieder. Heute engagiert sie sich neben ihrer Arbeit in der Wäscherei im Mitterfelser Werkstattrat für die Beschäftigten. „Die Menschen hier“, sagt sie, „brauchen einen strukturierten Tagesablauf und das Miteinander.“ Sie schwärmt vom herzlichen Umgang und der Fürsorge untereinander, es sei wie in einer Familie: "Wir helfen uns gegenseitig und verzeihen schnell, wir sind füreinander da, man kann fast sagen, wir lieben uns." Und wenn manch einer einmal über die Arbeit meckere, sagt sie, sei es ein Stück Unabhängigkeit und Normalität, über das sie froh seien, es wieder zurück zu haben.

Die KJF Werkstätten gemeinnützigen GmbH beschäftigt an acht Standorten in Niederbayern und der Oberpfalz aktuell 1.631 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Davon 1.243 im Rahmen der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung. Die größten Produktions- und Dienstleistungsbereiche der Werkstätten sind die Fertigung und Kommissionierung für die Automobilindustrie, die Großküchen, die Wäschereien und die Metallbearbeitung.

Text: Michaela Heelemann, Evi Feldmeier